Tingvall Trio
Vägen
(Skip/Soulfood)
Einst sorgte Keith Jarrett mit seinem Klaviertrio dafür, zwar Standards zu interpretieren, als Gleitmasse dazu jedoch die Entwicklung der Jazzsprache und -farbe zu benutzen. Ähnlicher Ansätze bediente sich Anfang der 1990er das schwedische Trio e.s.t. als Innovationsmotor mit unkomplizierten Melodien und elektronischen Hilfsmitteln. Das Echo auf ein vergleichbares Trio – das allerdings auf elektronische Klangveränderungen verzichtet – lieferte der ECHO Jazz 2010 für das Tingvall Trio (2003 vom schwedischen Pianisten Martin Tingvall gegründet) mit „Vattensaga“ als „bestem deutschen Jazzensemble“. Das Nachfolgealbum „Vägen“ (auf Deutsch: „Der Weg“) illustriert die letzten Jahre des wahlhamburgischen Trios um Tingvall, Drummer Jürgen Spiegel und den Bassisten Omar Rodriguez Calvo (Kuba). Als Reinheitsgebot dient die spielerische, zuweilen elegische, dann wieder wie ein Blitz explodierende, akustisch erzeugte Musik. Bei „Vägen“ bewahrheitet sich, das – angeblich nach Konfuzius – „der Weg das Ziel ist“. Tingvalls Anschlag pendelt zwischen perkussiver Schlagkraft und lyrischer Zartheit – sehr gut erkennbar in den ersten beiden Titeln „Sevilla“ und „Vägen“. Emotionsgeladen gleitet die Musik in „Den Ensamme Mannen“ (nach einer Geschichte von Hakan Nesser) dahin, schafft Raum für Erinnerung und serviert ein Beispiel für bewegende Anteilnahme. Wenn die drei Herren ausnahmsweise die Beherrschung zu verlieren scheinen (wie in „Tuc-Tuc Man“), wird auch durch das Tingvall Trio deutlich, aus welchen Muskeln der Jazz seine Kraft zieht.