Abwartend und überlegt kreativ

[13.4.2020]

München (Stadtplan)

Sie blicken lächelnd in die Kamera. Im Mundwinkel ahnt man womöglich einen Anflug von Wehmut, aber Wut? Nein. Widerstand? Auch nicht. Manch einer scheint sogar Spaß zu haben, wie etwa Nick Woodland, der seine Gitarre fröhlich zum Mansardenfenster hinaushält. Das Beste daraus machen. Komische Zeiten, ja. Aber Panik sieht anders aus. Die Bilderserie, für die der Fotograf Jan Scheffner sein 400mm-Objektiv ausgepackt hat, um aus der Ferne Musiker in Zeiten von Corona zu porträtieren, zeigt eine Szene in Warteposition, gespannt und irritiert angesichts der erzwungenen Umstrukturierung des künstlerischen Alltags, aber im Kern erst einmal abwartend.

Manches geht mit einem Mal, der Not geschuldet, zügig voran. Die Kammerspiele zum Beispiel haben endlich ihren Digitalableger „Kammer 4“ auf den Weg gebracht. Allianzen über die Genres und Institutionen hinaus werden gegründet wie das Zuhause-Festival, für das sich Clubs wie der Bahnwärter Thiel, die Jazzbar Vogler, die alte Utting, Trikont und einige mehr als Streaming- und Mitmachkollektiv zusammengefunden haben. Es gibt Sammlungen und Spendenaktion wie „Künstler in Not“, für die das von München aus agierende Klassikmagazin crescendo.de Gelder zusammengetragen hat und Ideen wie #Airplayforartists versuchen deutschlandweit, dem Trend zum altruistischen Verschenken von Musik in Heimkonzerten und Streaming-Angeboten eine Form der Minimalmonetarisierung entgegenzusetzen. Das alles atmet die Luft des Anfangs.

Abwarten, eine Zeit lang, hoffen, dass dieser 19. April ein Ende der Ausnahme bedeutet, durchzogen von langsamem Erkennen, dass es wohl doch nicht der Fall sein könnte. „Irgendwann wird es existentiell schwierig“, meint Gerd Baumann, einer der Köpfe der Milla Clubs. Zwei bis höchstens drei Monate könne man eventuell durchhalten, aber dann?

Famos sei die Unterstützung durch die Mitglieder, erklärt Michael Stückl im Namen des Jazzclubs Unterfahrt, der als gemeinnütziger Verein in Zeiten wie diesen zum Glück auf verschiedene Standbeine zurückgreifen kann und auch aus Kreisen der Fan-Schar Rückendeckung erhält: „Berührt haben mich die Neuanträge in dieser Zeit. Vielen Dank für dieses Mut machende Zeichen Ihrer Solidarität für unsere ‚nicht systemrelevante Institution‘“. Ein Streaming-Programm sei in Planung und bald am Start, wiewohl Neuland für einen Club, der sich bislang vor allem realiter als herausragende Live-Bühne profiliert hat.

Die Stimmung im Süden also abwartend, überlegt kreativ, mehr und mehr auch grundlegend berührt. Stellvertretend für viele ein Statement des Schauspielers Thomas Hauser, das sein Arbeitgeber, die Münchner Kammerspiele, unlängst an die Szene verschickte: „Wir möchten euch bedeuten: Ihr fehlt uns, wir vermissen euch und wünschen uns, dass ihr gesund bleibt! Lasst uns aufeinander freuen, virtuell oder privat und bald, bald wieder versammelt und live und körperlich!“

Hoffnung, Wehmut, Aufbruch?

Text
Ralf Dombrowski
Foto
openstreetmap.org (CC BY-SA)

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